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Tante Fritzi

Falten

Ich sah auf Tante Fritzis Hände. Sie zitterten, als sie die Schokotorte mit der Kuchengabel aufspießte und zum Mund führte. Ich blickte auf ihre schneeweißen Haare, die sie unter einem feinen Haarnetz trug. Auf ihr faltiges Gesicht. Ich kannte niemanden, der so viele Falten hatte. Sie spürte meinen Blick, sah auf und lächelte mich an. Ein warmes, liebevolles Lächeln. Tante Fritzi ist eigentlich meine Großtante. Ich kannte sie immer schon, doch wusste ich fast nichts über sie. „Darf ich dich fotografieren?“ fragte ich plötzlich, völlig ungeplant. „Was sagst du?“ fragte sie. Sie war schwerhörig. „Ich möchte Fotos von dir machen. Schöne Portraits.“ Da lachte sie. „Aber gerne. Bevor ich einen Abgang mache.“ Nun lachte ich. Wie redet denn meine alte Tante!

Ein paar Wochen später war es so weit. Ich nahm meine Schwester zur Fotosession mit. Tante Fritzi freute sich sehr über unseren Besuch. Wir saßen in der Küche, ich baute meine Blitzanlage auf. Sie trug eine rosa-schwarz gemusterte Seidenbluse und einen schwarzen Rock.

Meine Schwester redete mit ihr, ich konzentrierte mich aufs Fotografieren.

Am Ende drückte ich ihr noch einen Besen in die Hand und ließ sie die Terrasse kehren.

Sie war 93 Jahre alt.

Ich machte ein Fotobuch für sie und brachte es ihr. Sie war so dankbar und gerührt. Ich sagte ihr, wie schön ich ihre Falten finde. Da lachte sie und wischte meine Bemerkung mit einer Handbewegung weg.

Sie starb vier Jahre später. Meine Mutter gab uns eine schöne, spitzengesäumte Tischdecke aus ihrem Nachlass – doch die schönste Erinnerung an sie habe ich durch unseren gemeinsamen Nachmittag an ihrem Küchentisch.

 

 

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